Einleitung
Wenn Sie im Jahr 2005 „Circular Economy“ oder "Kreislaufwirtschaft" googelten, erhielten Sie bestenfalls ein paar hundert Treffer. Und heute? Nun, da sind es tatsächlich Millionen Treffer. Die Welt ist scheinbar bereit für die Mammutaufgabe "nachhaltig im Kreis wirtschaften".
Und da die meisten von uns den Begriff Kreislaufwirtschaft bislang wohl eher aus einer nischigen Öko-Plauderei oder der alternativen Landwirtschaft kannten, wollen wir Sie folgend in ein paar wesentliche Pfeiler der Kreislaufwirtschaft mitnehmen:
Warum diese Form des nachhaltigen Wirtschaftens in der heutigen Zeit zum Treiber eines modernen Lifestyles reüssiert.
Welche Grundlagen zur Kreislaufwirtschaft Sie einmal gehört haben sollten.
Die ersten deutlichen Spuren der Kreislaufwirtschaft bei den Big Playern
Das waren noch Zeiten
Es ist noch nicht lange her, da ließ sich ein Produkt auf einer geraden Linie beschreiben lassen konnte: Von den ersten Lieferanten bis zur Kommunikation mit Verbrauchern konnten Unternehmen die Herstellung, Verarbeitung und Kommunikation des Produktes entlang klarer, aufeinander folgender Prozessschritte ihre Wertschöpfungskette ausrichten. Über die Herstellung des Produktes musste so gut wie nichts z. B. an Kunden kommuniziert werden. Von der Entsorgung dieses Produktes ganz zu schweigen.Das hat sich heute grundlegend geändert.
Ambitionierter Deal
Künftig soll den Unternehmen eine große Verantwortung zu Herstellungsbedingen des Produktes, der Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards bis hin zur korrekten Entsorgung bzw. Wiederverwendung eines Produktes aufgetragen werden. Bekannt wird dies derzeit in den Fachmedien als Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzt, kurz LkSG.
Der tiefe Einblick und die damit einhergehende Kontrolle wird sich mitnichten nur auf die eigene unmittelbare Lieferkette erstrecken. Sondern der Verantwortungsraum erstreckt sich künftig auf die gesamte Lieferkette inklusive all ihrer mittelbaren Zulieferer.
Als Nukleus dieser radikalen Veränderungen gilt der European Green Deal, der am 11. Dezember 2019 von der Europäischen Kommission als zentraler Bestandteil ihrer Klimapolitik ins Leben gerufen wurde. Der Green Deal hat zum Ziel, bis 2050 in der Europäischen Union die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null zu reduzieren und somit als erster Kontinent klimaneutral zu werden. Ein Ziel, von dem Deutschland und die EU heute noch weit entfernt sind.
Green Deal macht aus einer einst imagepanierenden Klima-Rhetorik ernst
Zahllose weitere Ziele sind mit dem Green Deal verknüpft und machen aus einer einst imagepanierenden Klima-Rhetorik aus der Politik knallharten wirtschaftlichen Ernst: Von der flächendeckenden Reduktion von Schadstoffemissionen bis hin zur Durchsetzung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft in Europa. Denn die Kreislaufwirtschaft stellt einer der wichtigsten Bausteine im Green Deal dar.
Kleines Einmaleins der Kreislaufwirtschaft
Der Begriff „Kreislaufwirtschaft“ ist zwar schon älter. Dennoch kennen bislang nicht viele die zentralen Grundpfeiler einer Kreislaufwirtschaft. Daher folgend eine kleine Einführung in wichtige Begriffe:
Kreislaufwirtschaft – Alles kommt zurück
In einfachen Worten hat das Modell der Kreislaufwirtschaft zum Ziel, den Lebenszyklus von Produkten zu verlängern und Stoffkreisläufe zu schließen:
So sollen bei der Produktion als auch beim Verbrauch bestehende Materialien und Produkte zum einen so lange wie möglich geteilt, geleast, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet (neudeutsch: refurbished) und recycelt werden.
Zum anderen sollen anstehende Abfälle als Sekundärrohstoffe zur Verfügung gestellt werden (Kreislauffähigkeit). Diese Sekundärrohstoffe gelten als wertvolle Rohstoffe, die effektiv genutzt werden können, um natürliche Ressourcen zu schonen.
Ökodesign Richtlinie – Ende der Wegwerfgesellschaft gesetzlich verankern
Wussten Sie, dass die Gestaltung eines Produktes für bis zu 80 % seiner Umweltauswirkungen des Lebenszyklus verantwortlich zeichnet? Es macht also durchaus Sinn, innerhalb der Bestrebungen einer Kreislaufwirtschaft auf die konkrete Produktgestaltung zu zielen. Genau dies macht die Ökodesign-Richtlinie.
Diese Richtlinie, die entsprechend innerhalb des European Green Deals festgelegt wurde, soll alle Produktgruppen auf EU-Ebene auf Umweltfreundlichkeit, Kreislauffähigkeit und Energieeffizienz trimmen. Sie betrifft folglich keineswegs nur energieverbrauchsrelevante Produkte wie Kühlschränke oder TVs, sondern alle Unternehmen in der EU und damit nahezu alle physischen Produkte, auch Textilien, Möbel, Stahl, Zement und Chemikalien.
Die Ökodesign-Richtlinie soll ferner die die Basis dafür legen, dass Produkte häufiger wiederverwendet, nachgerüstet und repariert, leichter gewartet, aufgearbeitet oder recycelt werden können. Auch die Energie- und Ressourceneffizienz sowie Umweltauswirkungen von Produkten stehen im Fokus.
CO2-Fußabdruck – Hinterlassenschaften messen
Jeder hat schon von ihm gehört. Doch was meint „C02-Fussabdruck“ exakt? Ab 2023 werden alle europäischen Unternehmen dazu verpflichtet, ihre CO2-Emissionen zu messen und zu dokumentieren. Der CO2-Fußabdruck beschreibt dabei die Gesamtauswirkung aller Treibhausgase auf die Erderwärmung, die über einen bestimmten Zeitraum hinweg gemessen werden. Dies gilt von den Rohstoffen und der Herstellung über den Vertrieb bis hin zur Nutzung durch Endverbraucher und zu Wiederherstellung und Entsorgung. Wenn vom Co2-Fußabdruck gesprochen wird, sind folglich zwei „Wege“ zu unterscheiden:
Entlang der gesamten Wertschöpfungskette (CCF): Der Corporate Carbon Footprint (CCF) als ganzheitliche unternehmensbezogene Treibhausgasbilanzierung
Entlang des gesamten Lebenszyklus eines Produktes (PCF): Der Product Carbon Footprint (PCF) als produktbezogene Bilanzierung für jedes einzelne Produkt (von der Entwicklung, über Rohstoffe, Herstellung, Transport bis hin zu Entsorgung und Recycling)
Recyling – wie neu geboren
Recycling bedeutet die Rückführung eines Abfallstoffs in den Produktionsprozess. Dies kann für denselben oder auch einen Anwendungszweck erfolgen sowie nach geringer oder auch stärkerer Veränderung der Stoffgestalt. Recyclingfähig beschreibt also die Möglichkeit, die Materialien, die in einem Produkt oder einer Verpackung verarbeitet wurden, wieder in den Materialkreislauf zurückzuführen, um neue Produkte zu fertigen.
Refurbishment – aus alt mach neu
In diesem Prozess gehen gebrauchte Produkte durch Wiederaufbereitung in einen neuen Lebenszyklus über. Im Gegensatz zum Recycling, wo das Produkt stofflich verwertet wird (z.B. durch Zerteilen, um einzelne Rohstoffe zurückzugewinnen), wird beim Refurbishment das Produkt als solches weiterverwendet. Klassisch ist hier die Elektronik-Branche (Smartphones, Tablets usw.).
Klimaneutral – runter ist gut
Die Klimaneutralität beschreibt einen Zustand, in dem entstandene klimarelevante Gase, die entlang aller Stufen der Wertschöpfungsketten entstanden sind, durch Kompensationsmaßnahmen ausgeglichen wurden. Für einen ganzheitlichen Ansatz bedarf es einer vorherigen Reduktion der Emissionen auf ein Minimum. Der Europäische Rat hat der EU das Ziel gesetzt, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber 1990 zu senken und bis 2050 klimaneutral zu werden. Erstmalig legt das EU -Klimagesetz diese Ziele gesetzlich fest.
In der Wirtschaft angekommen
Sehr anschaulich präsentiert der wertvollste Konzern der Welt in seinem Nachhaltigkeitsbericht die Bemühungen, die Lebensdauer seiner Produkte zu verlängern:
Quelle: Nachhaltigkeitsbericht Apple 2022 | https://www.apple.com/de/environment/pdf/Apple_Environmental_Progress_Report_2021.pdf
Auffällig ist die Steigerung:
War bspw. 2007 gerade mal das SIM-Fach des IPhones reparierbar, sind es 2020 bereits 8 Elemente. Und 2018 wurde gezielt in die Haltbarkeit des Handys investiert. Die Kurve der reparierbaren und/oder haltbarer gemachten Kleinteile wird mutmaßlich weiter (steil) nach oben klettern.
„Ab sofort verkauft Apple in acht europäischen Ländern Originalteile und Werkzeuge im Self-Service-Reparatur-Store.“ Schreibt Vera Hermes begeistert im „Green Wednesday“, dem nachhaltigen Newsticker der Absatzwirtschaft Online vom Mittwoch, 07.12.2022.
Ob die großen Player wie Apple hier nur dem Druck der Politik gehorchen oder – wie eher anzunehmen wäre – dem Zeitgeist entsprechen wollen, lassen wir hier außen vor. Fakt ist: die Kreislaufwirtschaft hinterlässt schon jetzt Spuren...
... die sich in Zukunft weiterentwickeln werden bis ein deutlicher Pfad zu erkennen ist. Denn mit dem geplanten Digitalen Produktpass der EU sollen bald alle Produktinformationen entlang des kompletten Wertschöpfungskreislaufs über ein Produkt (u.a. Herkunft, Zusammensetzung, Reparatur- und Demontagemöglichkeiten) zu erfahren und so auch der soziale und ökologische Fußabdruck eines Produktes auszulesen sein. Was es weiter mit dem Digitalen Produktpass auf sich hat, klären wir in
Quellennachweise und zum Weiterlesen (Stand Februar 2023)
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)
Hembach, Holger (2022): Praxisleitfaden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) (CB - Compliance Berater Schriftenreihe). Fachmedien Recht und Wirtschaft in Deutscher Fachverlag GmbH; 1. Auflage.
Jürgens, Max / Harings, Lothar (2022): Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Umsetzung und Auswirkungen des LkSG in der Praxis. Reguvis Fachmedien; 1. Edition.
Grabosch, Robert (Hrsg.) (2021): Das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Nomos; 1. Edition.
Falder, Roland / Frank-Fahle, Constantin / Poleacov, Peter (2022): Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Ein Überblick für Praktiker
Springer Gabler; 1. Aufl. 2022 Edition (7. Mai 2022)
BMAS Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
CSR in Deutschland - Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Deutscher Bundestag verabschiedet Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Deloitte: Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in der Praxis
Bayerischer Rundfunk: EU-Länder einigen sich grundsätzlich auf Lieferkettengesetz
Die Initiative Lieferkettengesetz: https://lieferkettengesetz.de
Absatzwirtschaft: Nachhaltigkeit in der Lieferkette: Zeit für Gerechtigkeit
Kreislaufwirtschaft
Rau, Thomas / Oberhuber, Sabine (2021): Material Matters: Wie eine neu gedachte Circular Economy uns zukunftsfähig macht | Die Antwort auf die Klimakrise ist die Kreislaufwirtschaft. Econ; 1. Edition
Münger, Alfred (2021): Kreislaufwirtschaft als Strategie der Zukunft: Nachhaltige Geschäftsmodelle entwickeln und umsetzen. Haufe; 1. Auflage
Beckmann, Martin (2022): Kreislaufwirtschaftsgesetz: Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz mit Verordnungen, Abfallverbringungsrecht. beck im dtv; 23. Edition
Europäisches Parlament: Recht auf Reparatur: Für Produkte, die langlebiger und reparierbar sind
VDI: Zirkuläre Wertschöpfung. Werkstoffliches und chemisches Recycling von Kunststoffabfällen
Europäisches Parlament Ökodesign-Richtlinie: Steigerung der Energieeffizienz und Recyclingfähigkeit
BMUV zur Kreislaufwirtschaft: https://www.bmuv.de/themen/wasser-ressourcen-abfall/kreislaufwirtschaft
Europäische Kommission: Circular economy action plan (CEAP): https://environment.ec.europa.eu/strategy/circular-economy-action-plan_en
Europäische Kommission zum neuen Aktionsplan der Kreislaufwirtschaft: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_20_420
Recyclingnews: EU-Kommission will nachhaltige Produkte zur Norm machen
EUR Lex (Zugang zu den Originaltexten) A new Circular Economy Action Plan:
Umweltbundesamt: Abfall- und Kreislaufwirtschaft
NABU: Kreislaufwirtschaft:
Koalitionsvertrag ZWISCHEN SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN UND FDP: MEHR FORTSCHRITT WAGEN. BÜNDNIS FÜR FREIHEIT, GERECHTIGKEIT UND NACHHALTIGKEIT:
United Nations Global Compact: https://www.unglobalcompact.org/library/205
United Nations Global Compact: Nachhaltigkeit in der Lieferkette:
Deutsche Umwelthilfe: Nachhaltige Lieferketten: https://www.duh.de/themen/natur/naturvertraegliche-landnutzung/nachhaltige-lieferketten/
Europäer Green Deal
BMUV Den ökologischen Wandel gestalten. Integriertes Umweltprogramm 2030.
brand eins Sonderausgabe Der neue grüne Deal Dezember 2020
Bestell-Link: https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2020/unterhaltung/folge-01-ein-pakt-fuer-gesundes-wachstum
Europäisches Parlament Ökodesign-Richtlinie: Steigerung der Energieeffizienz und Recyclingfähigkeit
Europäische Kommission: Der Grüne Deal
Bundeszentrale für politische Bildung: The European Green Deal:
DIHK: Worum geht es beim Green Deal?
Ökodesign-Richtlinie
EUR Lex (Originaltexte): On making sustainable products the norm
Umweltbundesamt: Ökodesign-Richtlinie
Süddeutsche Zeitung, 28. März 2022: Wie die EU Produkte ökologischer macht
Europäisches Parlament Ökodesign-Richtlinie: Steigerung der Energieeffizienz und Recyclingfähigkeit
Sustainable Development Goals (SDG)
BMZ: Die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung
IHK: Die UN Nachhaltigkeitsziele (SDGs) als Maßstab für verantwortungsvolles Unternehmertum
United Nations Global Compact: https://www.unglobalcompact.org
Recycling
BMUV: Kreislaufwirtschaftsgesetz
BMBF (Plastik): WErtschöpfungsketten gestalten
Rohstoffwissen: https://www.rohstoffwissen.org/initiative/rohstoffkreislauf/
Stiftung zentrale Stelle Verpackungsregister: Mindeststandard recyclinggerechtes Design: https://www.verpackungsregister.org/stiftung-behoerde/mindeststandard-21/grundlegende-informationen
Europäisches Parlament: Recht auf Reparatur: Für Produkte, die langlebiger und reparierbar sind
VDI Zentrum Ressourceneffizienz: https://www.ressource-deutschland.de
Recyclingnews: EU-Kommission will nachhaltige Produkte zur Norm machen
Europäisches Parlament Ökodesign-Richtlinie: Steigerung der Energieeffizienz und Recyclingfähigkeit
ESG & Nachhaltigkeitsberichterstattung
Rat der Europäischen Union: Neue Vorschriften für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen: vorläufige politische Einigung zwischen Rat und Europäischem Parlament
Regularien zum Greenwashing
BMUV Den ökologischen Wandel gestalten. Integriertes Umweltprogramm 2030.
Europäische Kommision: Unfair commercial practices directive
Europäische Kommision: Kreislaufwirtschaft: Kommission schlägt neue Verbraucherrechte vor und will Greenwashing verbieten
NKS / Bundesministerium für Bildung und Forschung: EU legt Vorschläge für nachhaltige Produkte vor
Digitaler Produktpass (DPP)
Digtler Produkpass
Europäisches Parlament Ökodesign-Richtlinie: Steigerung der Energieeffizienz und Recyclingfähigkeit
BMUV Der BMU Design-Sprint zum Digitalen Produktpass für die Elektromobilität
Umweltbundesamt Förderung des nachhaltigen Konsums durch digitale
Produktinformationen: Bestandsaufnahme und Handlungsempfehlungen
BDI Der „Digitale Produktpass“ auf dem Prüfstand
Recyclingnews: EU-Kommission will nachhaltige Produkte zur Norm machen
DKE Digitaler Produktpass: Förderung der Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft durch standardisierte Daten
Europäische Kommission: Circular economy action plan (CEAP): https://environment.ec.europa.eu/strategy/circular-economy-action-plan_en